Liebe MitstreiterInnen,

 

wir haben uns heute hier als AntifaschistInnen versammelt, um eine Woche vor den Kommunal- und Europaratswahlen erneut aufzustehen und gemeinsam ein starkes Zeichen gegen den Rechtsruck hier und anderswo zu setzen. Sich der AfD entgegenzustellen ist wichtig, greift aber nicht weit genug. Der Rechtsruck ist kein Einparteienproblem, denn längst haben sich rechte Politiken manifestiert und wirken tief in unsere Gesellschaft, ins Miteinander und in unseren Alltag. Beispiele gibt es zahlreiche: sei es mit Blick auf zunehmenden Rassismus, Hetze gegen Erwerbslose, Frauen und queere Menschen, sei es der Blick auf eine zunehmende nationale Abschottung, die Militarisierung und die immer restriktivere Asylpolitik der Bundesregierung oder aktuell die Sparmaßnahmen und Kürzungen der Sozialausgaben, die immer mehr Menschen im eigentlich reichen Deutschland das Recht auf ein gutes Leben verwehren. Seit den 90er Jahren sprechen wir von einem Abbau des Sozialstaats, und auch heute werden bei gleichzeitigen Milliardenausgaben im Rüstungssektor massiv Mittel im Sozialhaushalt gekürzt. Frauen und Familien sind von dieser Politik des Gürtel-immer-enger-Schnallens besonders stark betroffen. Eltern- bzw. insbesondere Mutterschaft ist längst zum Ausdruck sozialer Ungleichheit und zu einem Armutsrisiko geworden.

 

Aufgrund der bestehenden Lohnungleichheit zwischen den Geschlechtern (Frauen verdienen nach wie vor ca. 20 % weniger Gehalt als Männer) ist es zumeist eine finanziell pragmatische Entscheidung, dass verstärkt Frauen zuhause bleiben und sich um die Kinder kümmern. Hinzu kommen – auch in Schwäbisch Gmünd – fehlende Möglichkeiten der Unterstützung wie ausreichende Ganztages-Kinderbetreuungsplätze, gesetzliche Regelungen wie das Ehegattensplitting und tradierte Rollenbilder, die die Verantwortung für Sorge und Erziehung nach wie vor allein auf den Rücken der Frauen abladen. Trautes Heim, Glück allein? Weit gefehlt! Die aktuelle Aufteilung der Sorge um Kinder und auch die Pflege von Angehörigen führt zu Gewalt, Krankheit und Armut auf Seiten der Frauen.19 % der 30- bis 50-jährigen Frauen verdienen aufgrund der Sorge um Kinder oder Ältere kein eigenes Gehalt oder wenn dann nur in Teilzeit und in schlecht bezahlten Berufen. 63 % der Frauen in Deutschland verdienen weniger als 1.000 Euro netto im Monat. Dies führt dazu, dass 61 % der erwerbstätigen Frauen keine langfristige Existenzsicherung haben, dass rund 80 % der erwerbstätigen Frauen mit ihrem Einkommen nicht langfristig für sich und ein Kind vorsorgen können, und dass bereits jetzt 25 % der erwerbstätigen Frauen aus ihrem eigenen Erwerbseinkommen nicht einmal ihren unmittelbaren Bedarf decken können.

 

An diesen grundsätzlichen Ungleichheitsverhältnissen wie den Arbeitsmarktbedingungen, der Lohnungleichheit und der Ungleichheit der Aufteilung von Sorgearbeit in der Gesellschaft will die AfD nichts verändern, sondern im Gegenteil propagiert sie die Abhängigkeit von Frauen von ihren Partnern als “deutsches Mutterglück” – wohlgemerkt nur das deutsche - und will diese Abhängigkeiten, die Unterdrückung und Einhegung der Frau, ihre Verdrängung ins Private weiter verschärfen. Es ist erwiesen, dass der unsicherste Ort für Frauen das eigene Zuhause ist und dass der Hauptauslöser von Gewalt gegen Frauen diese Abhängigkeitsverhältnisse und die traditionellen Familien- und Frauenbilder sind. Weiter ist erwiesen, dass der Hauptgrund, warum sich Frauen von beispielsweise gewalttätigen Partnern nicht trennen, finanzielle Abhängigkeiten sind - die durch die Politik der AfD weiter verschärft werden würden. Gleichzeitig will die AfD Hilfesysteme wie Frauenhäuser und Notfallstrukturen die finanziellen Mittel kürzen. Sie will Trennungen allgemein erschweren durch beispielsweise die Wiedereinführung des Schuldprinzips bei Scheidungen. Mit einer Wiedereinführung des Schuldprinzips verbindet die AfD die Streichung von Unterhaltszahlungen von Frauen, falls herauskommen sollte, dass diese durch beispielsweise die Verweigerung ihrer vermeintlichen “ehelichen Pflichten” “Schuld” am Scheitern der Ehe seien.

 

Kurz gesagt will die AfD uns Frauen zurück an Heim und Herd bringen, inklusive dem Auszahlen von Prämien, wenn deutsche Frauen dann auch genug Kinder “werfen”. Falls wir Frauen uns jedoch unserer vermeintlich “natürlichen Rolle” als Gebärmaschine des deutschen Volkes widersetzen und uns beispielsweise gegen unterdrückende Männer und Verhältnisse im Zuhause wehren wollen, will die AfD Frauen soziale Sicherungen entziehen. Notwendige medizinische Versorgungsleistungen für nicht freiwillig schwangere Frauen – wie das Recht auf Abtreibung – sollen faktisch abgeschafft werden. Des Weiteren fordert die AfD eine Meldepflicht für Schwangerschaftsabbrüche und spürbare Strafen für alle Frauen, die sich nicht daran halten. Was immer das dann auch heißen soll… Im Wahlprogramm heißt es, “das Recht der ungeborenen Kinder dürfe nicht der Selbstverwirklichung oder sozialen Zukunftsängsten untergeordnet werden”. An den realen sozialen Zukunftsängsten will die AfD nichts verändern, nur über den Bauch will sie bestimmen. Weiter sanktioniert werden sollen zudem alle Frauen, die dem Ideal der Kleinfamilie von Vater, Mutter und drei Kindern nicht entsprechen. Dass Frauen beispielsweise alleinerziehend sind, sieht die AfD als “selbstverschuldete” Lebensform an. Auch soziale Unterstützungsleistungen für Alleinerziehende will die AfD daher auf den Prüfstand stellen. Des Weiteren will die AfD zum sogenannten Abstammungsprinzip zurückkehren - das bedeutet, deutscher Staatsbürger kann nur sein, wer blutsverwandter Abstammung ist. Die Möglichkeit des Familiennachzugs für geflüchtete Menschen soll abgeschafft werden, und eine feste jährliche Abschiebequote für sogenannte Nicht-Deutsche und deren Kinder eingeführt werden.

 

Die AfD-Familienpolitik ist rassistisch und nationalistiche Bevölkerungspolitik im Sinne der Familie als Keimzelle der deutschen Nation. Über die Steigerung der Geburtenrate deutscher Frauen soll der demographische Wandel aufgehoben, Migration verhindert und damit eine "angestammte" Bevölkerung erhalten bleiben. Daher betrachtet die AfD auch alle Lebens- oder Liebensformen, die von diesem bevölkerungspolitischen Ziel, welches über das Modell der Kleinfamilie abgewickelt werden soll, abweichen, als zu sanktionierende Lebensformen an - als "Demografieverweigerer". In diesem Kontext führt die Hetze und der Hass der AfD gegen alle Menschen, die sich allein durch ihre Existenz gegen diese tradierten Vorstellungen wenden, zu einem Anstieg der Gewalt gegen LGBTQ-Mitglieder. In den zwei Jahren zwischen 2020 und 2022 hat die Gewalt gegen queere Menschen um 40 % zugenommen. Die Dunkelziffer ist hoch: Schätzungsweise werden nur etwa 10 bis 20 % aller Übergriffe statistisch erfasst, was nicht zuletzt daran liegt, dass diese selten als Hassverbrechen deklariert werden. Die AfD erklärt queere Menschen, insbesondere trans Personen, zum Feindbild. Sie werden als vermeintliche Gefahr dargestellt und zur Zielscheibe von Hass und Gewalt gemacht. Die Rechte von queeren Menschen werden bereits weltweit immer weiter eingeschränkt. Anfeindungen, Drohungen, verbale Gewalt und sogar Todesfälle nehmen zu. Auch hier in Deutschland. LGBTQ-Mitglieder standen stets an vorderster Front im Kampf für die Rechte aller. Jetzt ist es an der Zeit, sich zu solidarisieren, wenn Minderheiten angegriffen werden. Tolerieren wir keinen Hass und schauen nicht einfach weg! Lasst uns laut werden, wenn wir das nächste Mal rechte Parolen von “Gendergaga” und “Perversion” hören!

 

„Alternative“ bedeutet Rückschritt! Wer AfD wählt - wählt nicht nur die Aufrechterhaltung der sozialen Ungleichheitsverhältnisse in unserer Gesellschaft, sondern auch ihre Verschärfung. Wer AfD wählt - wählt eine Zunahme von Gewalt, von Ausbeutung und Unterdrückung von Frauen und allen, die nicht in ihre tradierten Rollenbilder passen. Wir wollen aber keinen Schritt zurück – sondern gemeinsam einen Schritt voran. Wir wollen eine Gesellschaft, in der nicht der Geldbeutel oder die Herkunft darüber entscheidet, ob unsere Kinder einen guten Kinderbetreuungsplatz oder eine gute Bildung erhalten. Wir wollen eine Gesellschaft, in der nicht unser Geldbeutel darüber entscheidet, ob unsere Omas und Opas einen Zugang zu guter Pflege und Versorgung haben. Wir wollen eine Gesellschaft, in der nicht unser Geschlecht darüber entscheidet, ob wir im Alter arm sind oder wie viel Lebenszeit uns zur Verfügung steht. Wir wollen uns nicht länger in patriarchale Rollenbilder pressen lassen! Wir wollen Care-Arbeit in unserer Gesellschaft kollektiv organisieren. Wir wollen eine faire Aufteilung von Arbeits- und Lebenszeiten! Wir wollen solidarische Strukturen stärken und füreinander da sein! Wir wollen eine Gesellschaft, in der wir frei entscheiden können, wen wir lieben und wie!